Die Sinnfragen – sie kommen immer mal wieder. Das kündigte sich ja in den letzten Monaten hier schon bei mir an.
Deshalb hab ich mir zuletzt die Gedanken von Viktor E. Frankl angeschaut, gelesen, manches vielleicht auch verstanden. Mit seiner Logotherapie, mit seinen Gedanken zu „Sinn im Leben“ erklärt er viele Dinge, die mir nachvollziehbar scheinen. Und das Interessante daran – er beschrieb dies alles schon vor ca. 50 Jahren und ff. Aus seiner Sicht fingen die Menschen an- also nun auch ein Großteil der Menschen – sich mehr und mehr über den Sinn ihres Daseins Gedanken zu machen. Dies, so folgert Frankl, kam insbesondere daher, dass bestimmte Zwänge im Leben der Menschen nachließen. Man musste nicht mehr 14h am Tag für ein Minimum an Existenz für sich und seine Familie arbeiten, um danach einfach nur noch halbtot ins Bett zu fallen bzw. nach einigen wenigen Jahrzehnten ganz tot in die Holzkiste. Die großen Kriege waren vorbei, die Menschen wurden freier, an Zeit und an Möglichkeiten. Das Neue daran war ja, dass diese Freiheiten nun einem größeren Teil der Menschen zufielen und nicht nur, wie hundert oder auch tausend Jahre vorher, einem engen, ausgewählten Kreis von Personen (Pharaonen, Könige, reiche Industrielle und andere Society-Ladies). Daraus ergibt sich wohl auch, dass die Sinnfrage mehr und mehr zu einem breiten gesellschaftlichen Problem wurde, präsenter, dringlicher, klärungsbedürftiger.
Die Menschen hatten also plötzlich ein Problem! Was tun mit der ganzen freien Zeit? Die Vorgaben, die Zwänge, fielen mehr und mehr weg. Das Leben wurde mit den neuen Freiheiten selbstverantwortlicher, selbstbestimmter. Man konnte plötzlich selbständig entscheiden, was man tun will.
Und BAM! Viele wussten gar nicht, WAS GENAU sie da nun tun sollten. Und wofür?! Das Leben hatte plötzlich nicht mehr nur den einen, vorgegeben Sinn (Arbeiten, Krieg führen, Kinder kriegen, Felder bestellen, Sklavenarbeit verrichten u.ä.). Man konnte wählen.
Kommt Euch das alles irgendwie bekannt vor???
Frankl führt sogar Beispiele an, vor allem auch von jungen Leuten, die sich das Leben genommen haben, weil sie sich diese Frage nach einem Sinn in ihrem Leben nicht (mehr) beantworten konnten.
Soweit so gut (oder schlecht)! Sprung ins Heute. Vor einigen Tagen bin ich unterwegs gewesen und sehe ein Plakat, in dem mal wieder von einem Aktionsbündnis zu einer Demo für oder gegen was aufgerufen wird. Ist eigentlich auch egal, worum es ging. Erstaunlich schien mir allerdings, dass diese Menschen ihr Ziel nun schon wie ich wusste seit vielen Monaten, wenn nicht sogar über ein Jahr verfolgen. Zum einen ist dies natürlich eine sehr ehrenwerte Geschichte. Andererseits frage ich mich, warum tun diese Menschen so etwas. Also ich will nicht falsch verstanden werden. Die sachlichen Beweggründe kann ich gut verstehen. Aber es ist jetzt nicht soooo ein Riesen-Thema, dass man sich so lange Zeit damit beschäftigen müsste.
Nun gibt es ja viele Beispiele in der letzten Zeit, wo Menschen sich lang und ausdauernd für bestimmte Themen einsetzen (Stuttgart 21, East Side Gallery etc.). Natürlich wird auch viel vom „mündigen Bürger“ gesprochen. Das ist sicher AUCH zutreffend. Aber ich glaube, es steckt mehr dahinter. Und da kommen wir wieder zu unserem Freund von weiter oben, Viktor E. Frankl und seinen Sinnfragen.
Ich denke, dass die Menschen, die diese Dinge sehr aktiv und regelmäßig tun, darin einfach ihren (zumindest teilweisen) neuen Sinn im Leben gefunden haben. Man sieht das auch daran, dass viele sich an solchen Aktionen beteiligen, oft unabhängig worum es dabei geht. Und sie tun dies oft, ohne sich jemals früher für so etwas interessiert zu haben geschweige denn als Demonstranten auf die Straße gegangen zu sein.
Zumindest für mich ist dies eine befriedigende Antwort. Der (auch) mündige Bürger von heute sucht nach Sinn, nach Sinn über seine 35- oder 40h-Arbeitswoche, sein Rentner- oder welches Dasein auch immer hinaus. Dann muss er sich nicht langweilen oder wegen Sinn-Losigkeit umbringen.
Demnach spricht einiges dafür, dass es zukünftig für unsere Politiker noch anstrengender werden könnte. Was sollen die Leute sonst auch tun, als sich SINNvoll mit Dingen zu beschäftigen, die früher einfach mal unbemerkt von der Politik durchgewunken wurden, weil kein Mensch Zeit hatte, sich damit zu beschäftigen.