Zygmunt Baumann bezeichnet sein Buch als ein Essay über Migration und Panikmache. Es ist für mich zumindest eines der Bücher der Stunde bzw. der aktuellen Jahre! Dass ich es lesen konnte, habe ich einer Empfehlung einer Bekannten (angehenden Soziologin) zu verdanken, bei der ich mich hiermit ausdrücklich für diesen erhellenden Hinweis bedanken möchte.
Dieses schmale Büchlein sei jedem ans Herz gelegt, der verstehen möchte, wieso wir heute dort stehen, wo wir stehen, in Deutschland, in Europa, in den USA und mittlerweile auch in anderen Ländern wie Brasilien. Baumann verurteilt dabei nicht, akzeptiert jedoch auch nicht, dass man sich einfach als Opfer der Umstände definiert, demnach allem ausweglos ausgeliefert ist und deswegen die Wahl von Parteien wie beispielsweise der AfD als einzige Lösung erscheint.
Neben den eigenen klugen Gedanken führt Baumann ähnlich aufschlussreiches von anderen Soziologen und Philosophen auf, um unter anderem auch zu zeigen, dass solche Situationen, wie wir sie heute erleben, natürlich nicht das erste Mal auftreten. Und natürlich könnte man aus der Geschichte lernen, wenn man nur wollte.
Anbei ein kleiner Auszug, der die Relevanz von Baumanns Gedanken verdeutlicht. Vielleicht ist Lesen ja schonmal ein erster Schritt hin zu Verstehen und damit eine gute Basis, um im nächsten Schritt zu Handeln?!
„Man hat das Gefühl, ein Opfer zu sein. Ein Opfer wovon? Von Umständen, auf die man nur sehr geringen oder gar keinen Einfluss hat – von Kontrolle gar nicht zu reden. Wir sprechen hier gerne von „Schicksal“, doch mit dieser Bezeichnung machen wir alles nur noch schlimmer. Dann sind wir nicht nur Versager, sondern dazu noch kurzsichtige, unwissende oder unfähige und tölpelhafte Versager, wodurch die Schmach und die daraus folgende Selbstverachtung sich verdoppeln: Das Schicksal hat kein Gesicht, und ist es aussichtslos, ihm ein Gesicht geben zu wollen. Um diese Erniedrigung zu vermeiden und etwas von ihrer Würde und Selbstachtung zu retten, müssen die Opfer diejenigen ausmachen und benennen, die sie zu Opfern gemacht haben, und diese Leute müssen ein erkennbares Gesicht haben, damit man sie lokalisieren und mit einem Namen belegen kann.
Migranten und vor allem Neuankömmlinge unter ihnen erfüllen alle diese Voraussetzungen bestens. Einen Namen (zumindest einen Gattungsnamen) hat man ihnen bereits gegeben (es gibt zahllose Politiker und Journalisten, die um die Herrschaft über Gemüter und Gedanken wetteifern und nur allzu bereit sind, diese Namen unverzüglich zu liefern und die Aufgabe der Lokalisierung bereitwillig für uns erledigen). Die Ergebnisse sind so einfach und vertrauenswürdig (ja geradezu selbstverständlich) wie die Tatsache, dass zwei plus zwei vier ergibt: Man erinnert sich nicht mehr, dass der Job schon unsicher und der Wohlstand gefährdet war, bevor sie auf den Straßen auftauchten – während man jetzt, da sie angekommen oder auf dem Weg sind, nur zu gut weiß, dass es so ist.“